Flussportraits
Der Untere Neckar
Der Untere Neckar – Ehemals “wilder Fluss”
Lage und Eigenart des Unteren Neckars
Der Neckar ist ein nahezu rein baden-württembergischer Fluss und ein besonderer dazu. Er entspringt im Schwarzwald bei Villingen-Schwenningen und mündet bei Mannheim in den Rhein. Seine Lauflänge beträgt insgesamt 367 km. Am Pegel Heidelberg weist er einen Mittleren Abfluss von 161 m³/s auf. Als Unterer Neckar wird der 100 km lange Flusslauf zwischen den Zuflüssen von Kocher und Jagst und der Mündung in den Rhein bezeichnet.
Ursprünglich war der Neckar ein hochdynamisches Gewässer, in dem die Schifffahrt als so schwierig wie in keinem anderen deutschen Strom galt. Heute ist der Neckar bis in seinen Mittellauf hinein als Bundesschifffahrtsstraße ausgebaut und staureguliert. Die einzige erhaltene Flussschleife im Unteren Neckar liegt bei Ilvesheim, im sogenannten Wehrarm Ladenburg. Ein weiterer Altneckarabschnitt befindet sich bei Wieblingen.
Der Untere Neckar ist kein offiziell ausgewiesenes Programmgewässer der Wanderfischwiederansiedlung, Seit vielen Jahren versuchen aber alle anadromen Arten dort wieder aufzusteigen.
Potenzial für Wanderfische
Noch Anfang des 20. Jahrhunderts kamen Lachse im Neckar und auch in der 57 km oberhalb der Neckarmündung zufließenden Itter sehr häufig vor. Der letzte Lachs wurde dort im Jahr 1921 gestochen. Maifische stiegen im Neckar um 1870 noch so zahlreich auf, dass die Fischer und Schiffer von deren nächtlichem Laichgeschäft geweckt wurden. Die nach dem Laichgeschäft verendeten Maifische verrotteten an den Flussbauzeilen mit fürchterlichem Gestank. Der Aal war ziemlich häufig, Fluss- und Meerneunauge wurden nur gelegentlich gefangen, wobei das Flussneunauge häufiger war. Lachse, Maifische und Meerneunaugen wanderten über den Unteren Neckar hinaus bis Heilbronn aufwärts.
Dem natürlichen Gefälle entsprechend, ist der frühere, ungestaute Untere Neckar der Barbenregion zuzuordnen. Zahlreiche Veränderungen haben dort im Laufe des vergangenen Jahrhunderts zu einer starken Verschlechterung der Lebensraumbedingungen für die natürliche Fischfauna geführt. Selbst die nun vorherrschenden anspruchslosen Arten sind in ihren Bestandsgröße unterentwickelt. Viele Eingriffe sind aus heutiger Sicht als irreversibel einzustufen. Zu den stärksten Einschnitten für die typischen Fließwasserarten zählt der Aufstau des Neckars, der im Artengefüge und auch bei der Bestandssituation der Fischfauna zu durchgreifenden Veränderungen führte. Die fischökologischen Potenziale bestehen in den eingestauten Bereichen vor allem in der dort möglichen Verbesserung der Lebensräume für stömungsunabhängige Arten und Stillwasserarten. Auch durch die schon lange überfällige Wiederherstellung der biologischen Durchgängigkeit an den Wehren können die Bestände der vorhandenen heimischen Arten im gesamten Flussabschnitt erhalten und weiterentwickelt werden.
Für die Wanderfischarten besitzen die uneingestauten Wehrarme Ladenburg und Wieblingen ein herausragend großes Potenzial, das nicht nur für den Neckar, sondern auch überregional im Rheingebiet bedeutend ist. Die Nachweise der Langdistanzwanderer und die hohen Anteile an strömungsangepassten Fischarten lassen den Schluss zu, dass eine erhebliche ökologische Aufwertung dieser Bereiche auch anderen Flussabschnitten zugute kommt. Voraussetzung hierfür ist die Ausschöpfung des Potenzials der verbliebenen Fließstrecken durch wesentliche Erhöhung des Mindestabflusses und die Umsetzung unterstützender struktureller Maßnahmen.
Erreichte Verbesserungen
Seit dem Jahr 2012 erhält die Ilvesheimer Schleife in der Ausleitungsstrecke des Kraftwerks Ladenburg einen Durchfluss von 13 m³/s – was einer Verdoppelung des ursprünglichen Mindestabflusses entspricht. Am Wehr Ladenburg wurde als Ersatz für den beschädigten historischen Fischpass ein Vertical-Slot-Pass errichtet, der mit einer Beobachtungsstation versehen ist. Wegen seiner geringen Dimensionen ist dieser jedoch nur eingeschränkt funktionstüchtig.
Im Stauraum Ladenburg wurde der Lebensraum für strömungsunabhängige Fische und Stillwasserarten durch die Anlage eines 320 m langen und ca. 55 m breiten Fortpflanzungs- und Rückzugsgewässers aufgewertet. Die “Fischkinderstube Edingen-Neckarhausen“ wurde im Jahr 2018 fertiggestellt.
Welche Fische schwimmen hier?
Die ursprünglich vorhandene Fischfauna des Unteren Neckars umfasste 39 Arten, darunter die Langdistanzwanderer Lachs, Meerforelle, Maifisch, Fluss- und Meerneunauge sowie Aal und Flunder.
In den eingestauten Flussabschnitten außerhalb der noch vorhandenen Fließstrecken bei Ladenburg und Wieblingen besteht heute ein deutlich eingeschränktes Artenspektrum, in dem strömungsindifferente und Stillwasserarten vorherrschen.
Mit der Beobachtungsstation am Unteren Neckar bei Ladenburg, welche durch die Pachtgemeinschaft Kurpfalz betreut wird, sind Nachweise der Wanderfischarten Lachs und Meerforelle sowie des Fluss- und Meerneunauges gelungen. Seit dem Frühjahr 2014 wird auch der Maifisch wieder bei Ladenburg nachgewiesen. Spezifische Untersuchungen zeigten, dass er sich dort auch erfolgreich fortpflanzt. Im Jahr 2023 wurden bei Ladenburg innerhalb weniger Tage 30 aus der Nordsee aufgestiegene Tiere gezählt. Vor allem für die Neunaugenarten und den Maifisch ist mit einer Ausbreitung im Neckar auszugehen, wenn die Voraussetzungen bezüglich des Lebensraumes und der Durchgängigkeit erfüllt sind.
Was ist zu tun?
Im Gegensatz zur Ilvesheimer Schleife am Kraftwerk Ladenburg, wird derzeit in der Ausleitungsstrecke Wieblingen noch kein geregelter und ökologisch begründeter Mindestabfluss abgegeben. Nachdem das Stützwehr in der Altneckarstrecke seit vielen Jahren durchbrochen ist, sind die Strukturverhältnisse dort ganz vorzüglich. Durch einen starken Wechsel an Fließgeschwindigkeiten und Wassertiefen haben sich unmittelbar unterhalb der Durchbruchstelle vielfältige aquatische Lebensräume entwickelt. Sogar die im Unteren Neckar so seltenen Kieslaichplätze liegen an dieser Stelle in hoher Qualität vor. Nach den hydromorphologischen Voraussetzungen und auf der Grundlage spezifischer Erhebungen wird in der Ausleitungsstrecke ein Durchfluss von 17 m³/s erforderlich sein. Die Umsetzung dieser Maßnahme wird die Fortpflanzungsbedingungen für alle Langdistanzwanderer und regionalen Flussfischarten stark verbessern und steht dringend an.
Hier stockt es!
Seit 2010 besteht für die Wasserstraßenverwaltung des Bundes die rechtliche Verpflichtung, an den Wehren der Bundeswasserstraßen Fischaufstiegsanlagen nach dem Stand der Technik zu errichten und zu betreiben. Bisher wurde jedoch an den zehn Staustufen im Unteren Neckar kein einziger Fischpass neu gebaut. An den beiden besonders bedeutenden untersten Standorten sind nicht einmal Planungen vorhanden. Diese sollen erst im Jahr 2040 beginnen!
Hinsichtlich der abwärtsgerichteten Fischwanderung ist aufgrund der aktuellen rechtlichen Interpretation von einer Zuständigkeit der Kraftwerkeigentümer auszugehen. Die hier in den meisten Fällen verantwortlichen Akteure der Neckar AG (Tochter der EnBW) befinden sich seit Jahren in einer Planungs- und Forschungsphase.
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