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Kinzig

Mit einer Lauflänge von ca. 95 km, einem Einzugsgebiet von 1.418 km² und einem mittleren Abfluss von ca. 28 m³/s an ihrer Mündung ist die Kinzig nach dem Neckar der größte Oberrheinzufluss in Baden-Württemberg. Die Kinzig besitzt ein reich verzweigtes Gewässersystem mit den größten Zuflüssen Schutter, Erlenbach, Gutach, Wolfach, Schiltach und Kleine Kinzig. Sie mündet oberhalb der Rheinstaustufe Gambsheim bei Kehl in den Oberrhein.

Wegen der bei starken Hochwasserabflüssen auf­tre­ten­den Schäden wurden die Kinzig und der Erlenbach auf einer Gesamtlänge von ca. 58 km ausgebaut und eingedeicht. Naturnähere Abschnitte blieben oberhalb von Hausach und in den Zuflüssen erhalten.

Lebensraum für Wanderfische

Ursprünglich zählte die Kinzig mit ihren Zuflüssen zu den wichtigsten Lachsgewässern im Rheinsystem. Die Fang­sta­tis­ti­ken des Fürstlich Fürstenbergischen Rentamtes Wolfach belegen einen historischen Lachsaufstieg bis Schenkenzell, ca. 75 km oberhalb der Mündung. Auch für andere Fische hatte das Gewässersystem eine sehr große Bedeutung. Insgesamt ist dort das regelmäßige Vorkommen von 35 heimischen Arten bekannt. Hierzu zählen Meerforelle, Maifisch sowie Fluss- und Meerneunauge. An der Kinzigmündung wurde im Juli 1916 auch der letzte Stör im Oberrheingebiet gefangen (eine Abbildung ist in der Fotogalerie enthalten).

Die letzten historischen Lachsnachweise aus dem Kinzigsystem sind aus dem Jahr 1958 bekannt. Noch im Jahr 1935 wurden dort 500 Lachse und wenige Jahre zuvor noch ca. 1.800 aufsteigende Fische gemeldet.

Seit einigen Jahren steigen wieder Lachse und Meerforellen in das Gewässersystem auf und pflanzen sich dort fort. Im November 2011 konnten im Ortskern von Willstätt mehrere Lachse beim Laichen beobachtet werden. Im selben Jahr wurden bei Kehl erstmals wieder junge Meerneunaugen in der Abwanderungsphase zur Nordsee nachgewiesen. Damit ist auch diese Art in der Kinzig wieder in einem reproduktiven Bestand vorhanden. Aus dem ursprünglichen Artenspektrum fehlen heute lediglich neuere Nachweise von Maifisch und Flussneunauge.

Großes Potenzial und rasche Entwicklung

Schon die ersten Untersuchungen der Gewässerstrukturen im Jahr 1992 zeigten das große Potenzial des Kinzigsystems für die Lachswieder­ein­bür­ge­rung. Weiterführende spezifische Strukturkartierungen und die wissenschaftlichen Kontrollen des Aufwuchserfolgs eingesetzter Lachsbrütlinge bildeten dann die Grundlage für die Festlegung des Programmgebietes. Dieses erstreckt sich in der Kinzig bis zur Mündung der Kleinen Kinzig in Schenkenzell (ca. 75 km oberhalb der Mündung) sowie bis in die Mittelläufe der größeren Zuflüsse Erlenbach, Gutach, Wolfach und Schiltach. In diesem Bereich ist aktuell eine Lebensraumfläche von 68 ha für das Heranwachsen junger Lachse bis zur Abwanderung geeignet. Damit ist im Kinzigsystem ein herausragend großes Potenzial für die Lachswiederansiedlung vorhanden.

Mit der Inbetriebnahme des Fischpasses an der Rheinstaustufe Gambsheim im April 2006 wurde das Gewässersystem für im Rhein aufsteigende Wanderfische wieder zugänglich. Bereits zuvor gelang es einzelnen Lachsen und Meerforellen über die Schiffsschleusen im Rhein die Kinzig zu erreichen. Dort sind jedoch mit einer Vielzahl von Wehren weitere Aufstiegshindernisse vorhanden. Durch die außerordentlich intensive Wasserkraftnutzung besteht darüber hinaus die Gefahr, dass die Abwärtswanderung von Junglachsen in den Turbinen der Kleinkraftwerke endet.

Hinsichtlich der Durchwanderbarkeit wurden in den vergangenen Jahren große Verbesserungen erzielt. Durch den Bau von Fischpässen konnten die meisten Aufstiegshindernisse durchgängig gestaltet werden. Zusätzlich wurden  an mehreren Wasserkraftanlagen Fischschutz- und Abstiegseinrichtungen installiert. Hierbei konnten auch technische Neuentwicklungen erfolgreich erprobt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Abstiegsanlage an der Wasserkraftanlage bei Steinach, wo im Rahmen eines Pilotprojektes des Landes Baden-Württemberg ein rotierender Schutzrechen mit Abstiegsanlage installiert wurde.

Neben der Herstellung der Durchwanderbarkeit wurden auch bei der Aufwertung der Lebensräume große Fortschritte erreicht. In der Kinzig ist es gelungen, in den zuvor teilweise trocken liegenden Ausleitungsstrecken der Kleinkraftwerke Mindestabflüsse festzulegen. Hierdurch konnten wertvolle Lebensräume reaktiviert werden, die für die Lachswiederansiedlung unverzichtbar sind.

Auch die Gewässerstrukturen in den ausgebauten Flussabschnitten konnten teilweise deutlich verbessert werden. Im Unterlauf des Erlenbachs und in der angrenzenden Kinzig ließ die Wasserwirtschaftsverwaltung die Vorländer zwischen dem Mittelwasserbett und den Hochwasserschutzdeichen absenken, um dem Gewässer wieder mehr Raum zu geben. In Verbindung mit zusätzlich angelegten Strukturelementen zur Strömungslenkung konnten in diesem ehemals kanalartigen Abschnitt wieder Verhältnisse geschaffen werden, die auch anspruchsvollen Fischarten wie der Äsche eine erfolgreiche Fortpflanzung ermöglichen. Diese und andere Aufwertungsmaßnahen zeigen, dass auch in einigen ausgebauten Bereichen des Kinzigsystems wieder ein erhebliches Lebensraumpotenzial aktiviert werden kann.

Aktueller Stand und prioritäre Aufgaben

Lange Zeit war der Aufstieg von Lachsen und anderen Wanderfischen meist nur über etwa 11 km bis zum Kinzigwehr in Willstätt möglich, da dort noch kein funktionstüchtiger Fischpass vorhanden war. In Willstätt wurde jedoch, mit dem Ersatz der alten Wasserkraftanlage durch ein modernes Kraftwerk, im April 2013 die Durchwanderbarkeit hergestellt. Gleichzeitig wurde am Standort des ursprünglichen Kraftwerks in der Alten Kinzig eine über die gesamte Gewässerbreite reichende Vollrampe angelegt. Auch an den anderen, bisher kaum überwindbaren Querbauwerken wurden Fischpässe gebaut. Seit 2014 können zurückkehrende Lachse in der Kinzig bis zur oberen Grenze des Wiederansiedlungsgebietes bei Schenkenzell und auch bis in die Schiltach aufsteigen.

Vier Kinzigwehre sind bis heute nur eingeschränkt durchwanderbar. Dort sind jedoch weitere Verbesserungen in Vorbereitung. Auch an den noch verbliebenen Wanderungshindernissen in den Zuflüssen stehen Umbaumaßnahmen an.

Da nun ein sehr großes Lebensraumpotenzial für die Wiederansiedlung erschlossen wurde, besteht die nächste prioritäre Aufgabe im weiteren Aufbau und der Sicherung eines Kinziglachsbestandes. Hierzu ist eine starke Steigerung der Anzahl eingesetzter Brütlinge notwendig. Zur Zeit werden jährlich etwa 100.000 Junglachse in das Kinzigsystem eingesetzt. Seit der Erschließung des Gewässersystems ist jedoch ein Besatz mit etwa 500.000 Brütlingen sinnvoll.

Als Grundlage für den zukünftigen Jungfischbesatz fangen wir seit einigen Jahren einen Teil der in den Rhein zurückkehrenden Lachse an den Kontrollstationen der Rheinstaustufen Iffezheim und Gambsheim, um sie zum Aufbau eines Elterntierstammes zu nutzen. Hierfür wurde mit der "Lachszucht Wolftal" eine eigene Fischzuchtanlage an einem Kinzigzufluss eingerichtet.

Da in der Kinzig noch keine Kontrolleinrichtungen bestanden, konnten die bisher zurückgekehrten Lachse nur zufällig nachgewiesen werden. Am neuen Kraftwerk im Kinzigunterlauf bei Willstätt und auch an der Rampe am ehemaligen Wehr in der Alten Kinzig werden jedoch zur Zeit Monitoringstationen eingerichtet. Hiermit können wir dann die jährliche Rückkehr der Lachse beobachten und dokumentieren.