Alter Rhein (Restrhein)
Als Alter Rhein oder Restrhein bezeichnen wir heute den parallel zum Rheinseitenkanal (Grand Canal d´Alsace) liegenden südlichen Oberrheinabschnitt zwischen dem Ausleitungswehr bei Märkt, nahe Basel, und der Kanalrückleitung bei Breisach. Dieser etwa 50 km lange Stromabschnitt erhielt den Namen Restrhein, weil die Wasserführung am Ausleitungswehr bis zu einem Abfluss von 1.400 m³/s nahezu vollständig in den Grand Canal d´Alsace abgeleitet wird, wo die Schifffahrtsstraße verläuft und der französische Energieversorger EdF (Electricité de France) die vier Kraftwerke Kembs, Ottmarsheim, Fessenheim und Vogelgrün betreibt. Im ursprünglichen Gewässerbett des Rheins verblieb lange Zeit nur ein "Rest" von 20 bis 30 m³/s, der seit dem Winter 2010/11 auf einen jahreszeitlich gestaffelten Abfluss mit einem Mindestwert von 52 m³/s gesteigert wurde.
Ursprünglich gehörten große Teile des Oberrheins aufgrund ihres Gefälles, der Geschiebeführung und der Breite von mehreren Kilometern zur sogenannten Furkationszone. Dort verteilte sich das Gewässerbett auf viele Arme, die sich bei jedem Hochwasser dynamisch verlagerten und dabei aufteilten und wieder zusammenfanden. Das im Kunstmuseum Basel ausgestellte Ölgemälde "Blick vom Isteiner Klotz rheinaufwärts gegen Basel" von Peter Birmann zeigt den ursprünglichen Charakter des heutigen Restrheins.
Das Bett des Oberrheins wurde durch die bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Johann Gottfried Tulla geplante „Rheinkorrektion“ mit Leitdämmen auf eine Breite von 200 bis 250 m eingeengt. Die später folgende Rheinregulierung sowie der Ausbau zur Verbessung der Schifffahrt und Elektrizitätsgewinnung gaben dem Oberrhein ein völlig neues Aussehen und hatten darüber hinaus eine intensive Nutzung und Besiedelung der früheren Aue zur Folge.
Im Bereich des heutigen Restrheins sind jedoch aufgrund des fehlenden Ausbaus zur Großschifffahrtsstraße in bedeutendem Umfang naturnahe Strukturen vorhanden. Dieser Abschnitt gilt hinsichtlich seiner Struktur allgemein als einer der hochwertigsten Bereiche im gesamten Stromverlauf. Er ist zum größten Teil frei fließend und wird nur nahe der Rückleitung des Rheinseitenkanals durch das Kulturwehr Breisach auf einer Länge von ca. 5 km eingestaut.
Potenzial für Wanderfische
Nach den Ergebnissen von Strukturkartierungen ist im Restrhein zur Zeit eine Lebensraumfläche für Jungfische des Atlantischen Lachses von 64 ha vorhanden. Dieser Bereich hat somit ein herausragend großes Potenzial für die Lachswiederansiedlung. Es ist daher eine vordringliche ökologische Aufgabe, den Alten Rhein für Wanderfische zu erschließen. Hierzu müssen noch an zwei Oberrheinkraftwerken Fischpässe errichtet und an der untersten Wasserkraftanlage im Rheinseitenkanal eine Überleitung in den Restrhein installiert werden.
Der Rhein zwischen Märkt und Breisach steht als „Natura-2000-Gebiet“ unter Naturschutz und wurde wegen seiner großen Bedeutung für den Lachs und viele andere Fischarten als „Fischökologisch bedeutendes Gewässer“ klassifiziert. Da die Bestände mehrerer gefährdeter Fischarten durch die starke Kormoranpräsenz bedroht werden, ermöglichte das Regierungspräsidium Freiburg seit dem Herbst 2005 Abschüsse von Kormoranen während der Wintermonate.
Neben der geringen Mindestwasserführung wird das Lebensraumpotenzial im Alten Rhein durch die größtenteils verfestigte Sohle begrenzt. Diese schützt das Gewässerbett zwar vor einer fortschreitenden Sohlerosion, mindert aber gleichzeitig das Angebot an nutzbaren Laichplätzen. Eine der wichtigsten Verbesserungsmaßnahmen im Alten Rhein besteht daher in der Bereitstellung von lokalen Kiesauflagen auf der verfestigten Gewässersohle. Dies kann entweder durch Materialzugabe oder durch die Zulassung einer begrenzten Seitenerosion ermöglicht werden.
Neue Konzession am Ausleitungswehr
Die Konzession für das Wasserkraftwerk Kembs am Rheinseitenkanal lief zum Ende des Jahres 2007 aus. Mit der Neukonzessionierung wurde auch der Mindestabfluss im Alten Rhein neu festgelegt. Ursprünglich lag die Mindestwassermenge bei 50 m³/s und wurde später über eine Sondervereinbarung auf 20 m³/s im Winter und 30 m³/s im Sommer verringert. Mit der neuen Konzession wurde ein jahreszeitlich zwischen 52 und 115 m³/s gestaffelter Sockelabfluss festgelegt.
Da das Lebensraumpotenzial des Restrheins stark von der im Jahresverlauf geringsten Wassermenge abhängt, werden der über einen Zeitraum von jährlich fünf Monaten festgelegte Sockelabfluss von 52 m³/s und der über weitere vier Monate nur wenig höher liegende Abfluss durch Gewässerökologen und Umweltverbänden aus Frankreich, der Schweiz und Deutschland als unzureichend kritisiert. Die neue Konzession für das Kraftwerk sieht im Jahr 2020 eine Überprüfung des Mindestabflusses vor.
Jahrhundertchance "Redynamisierung des Restrheins"
Während die Furkationsaue in allen anderen Bereichen des Rheins unwiederbringlich verloren gegangen ist, besteht am Restrhein die einzigartige Chance, wieder in bedeutendem Umfang Strukturen zu ermöglichen, die diesem Lebensraum entsprechen. Grundlagen hierfür sind der vorhandene Freiraum für eine Seitenerosion auf französischer Seite und die Anlegung des Retentionsraumes "Weil - Breisach", entlang des baden-württembergischen Rheinufers. Dort wird ein 90 bis 700 m breiter Geländestreifen etwa auf das heutige Höhenniveau des Rheins abgesenkt, um in Hochwasserphasen einen Teil des Abflusses aufnehmen zu können. Durch eine spätere Weiterentwicklung des Hochwasserrückhalteraums kann dem Rhein wieder Raum für eine kontrollierte Dynamik gegeben werden. Der Raumordungsbeschluss zum Retentionsraum lässt diese Weiterentwicklung bei Einhaltung des Hochwasserschutzzieles explizit zu. Die Umweltverbände der Region setzen sich grenzüberschreitend für die Nutzung dieser Jahrhundertchance ein und haben bereits im Jahr 2002 eine entsprechende Resolution verfasst.
Seit dem Januar 2009 besteht ein von der französischen Verwaltung koordiniertes internationales Projekt zur Redynamisierung des Restrheins (http://www.region-alsace.eu/dn_redynamisierung-des-restrheins/). Dieses Vorhaben wurde von der Europäischen Union als „Interreg IV-Projekt“ gefördert und vereint mehr als 15 Partner, die sich für die Renaturierung des Rheingebietes einsetzen.