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Pressemitteliung Lebendige Murg
Pressemitteilung 9.07.2008
Einst war die Murg der wichtigste Lachsfluss in Nordbaden. Sauberes Wasser und vielfältige Strukturen waren die idealen Voraussetzungen für einen gesunden Lachsfluss. Tausende von Lachsen schwammen und sprangen in einem einzigartigen Schauspiel jährlich die Murg aufwärts, einige nachweislich bis Baiersbronn. Die Fische standen bei der Bevölkerung vor allem wegen ihres schmackhaften Fleisches hoch im Kurs. Deshalb wachten noch vor mehr als hundert Jahren gleich ein halbes Dutzend Behörden über die Lachse der Murg: Etwa das Ministerium des Innern in Karlsruhe, die Großherzogliche Wasser- und Straßenbauinspektion und die Großherzoglich Badische Domänen-Verwaltung in Rastatt wie auch die Großherzogliche Hof-Domänen-Kammer in Karlsruhe. Historische Schriften mit Vorgaben aus dem Ministerium zum Schutz der Lachse in der Murg liegen Dr. Frank Hartmann, dem Leiter der Fischereibehörde am Regierungspräsidium Karlsruhe vor. In altdeutscher Schrift niedergeschrieben finden sich in den Dokumenten interessante Details zum damaligen Lachsaufstieg, zum Schutz und zur Nutzung der Lachse.
Der Wandel der Murg vom Wildfluss zum Industriekanal war aufgrund der industriellen Entwicklung im Murgtal unaufhaltsam und der Lachs verschwand Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts aus der Murg. Schuld war die zunehmende Gewässerverschmutzung sowie der Bau von Wanderbarrieren. Die aus dem Atlantik den Rhein hochwandernden Fische wurden bereits in Rastatt aufgehalten und konnten so Ihre Laichplätze im Murgtal flussaufwärts von Gernsbach nicht mehr erreichen. Augenzeugen berichteten, dass die Murg von den Einleitungen der Fabriken täglich die Farbe wechselte. Dann geschah etwas, was als eine dringende Notwendigkeit und gleichermaßen als Wiedergutmachung an der Murg zu bewerten war: Die Murg sollte wieder sauber werden. In den 70er Jahren wurde erkannt, dass ein kranker Fluss auch die Menschen krank machen kann. Umfangreiche Anstrengungen der Wasserwirtschaftsverwaltung führten dazu, dass die Murg heute wieder Wasser hoher Güte führt. In der Murg laichen heute wieder erfolgreich Fische, darunter sensible Arten wie der Lachs, die Äsche und die Bachforelle. Darüber hinaus sind in der Murg derzeit einige Baustellen zu sehen, deren Bauwerke dafür sorgen werden, dass erwachsene Fische zum Laichen wieder flussauf wandern und die Jungtiere dann schadlos in Richtung Rhein und Atlantik abwandern können. Für den Fischaufstieg werden sogenannte Fischtreppen errichtet und für die abwärts gerichtete Wanderrichtung sorgen Fischabstiegsanlagen mit speziellen Schutzrechen vor den Turbinen. Die Durchgängigkeit der Fließgewässer für Fische ist ein wesentliches Entwicklungsziel der Gewässerökologie und für Wanderfische zwingend notwendig. Nur wenn die Wanderfische ihren Lebenszyklus in unseren heimischen Gewässern vollenden können, wird die nachhaltige Wiederansiedlung gelingen. Darin liegt die besondere Verantwortung für die Entwicklung unserer Wanderfischgewässer, welche mit verschiedenen Beteiligten abgestimmt wird.
Seit dem Jahr 2001 besteht in Baden-Württemberg ein koordiniertes und international abgestimmtes Programm zur Lachswiederansiedlung. Partner in Frankreich und der Schweiz bringen derzeit ihre Zuflüsse zum Oberrhein auf Vordermann, um das Großprojekt Lachs 2020 als erklärtes Ziel der Rheinanliegerstaaten zu realisieren. Träger des baden-württembergischen Wiederansiedlungsprogramms ist der Landesfischereiverband Baden-Württemberg. Die Umsetzung erfolgt zum größten Teil über den regionalen Landesfischereiverband Baden mit fachlicher Begleitung durch die Fischereiverwaltung des Landes. Die Landesverwaltung unterstützt die Wanderfisch-Wiedereinbürgerung darüber hinaus im Rahmen ihrer Aufgaben als Vertreterin öffentlicher Belange sowie als Eigentümerin der größeren Gewässer und der Fischereirechte.
Die konkrete Umsetzung des baden-württembergischen Wanderfischprogramms erfolgt in einer Expertengruppe. Dort sind die beiden genannten Landesfischereiverbände, die Fischereibehörden der Regierungspräsidien Freiburg und Karlsruhe, die Fischereiforschungsstelle des Landes sowie Gebietskoordinatoren für die einzelnen Gewässersysteme und externe Sachverständige vertreten. Die Gebietskoordinatoren sind Vertreter der Angler an den Gewässern. Sie ermöglichen eine effektive Information der Bevölkerung und überwachen die notwendigen Arbeiten vor Ort. Kürzlich rief der Landesfischereiverband Baden-Württemberg die gemeinnützige GmbH Stiftung Wanderfische Baden-Württemberg ins Leben, um das Projekt noch stärker vorantreiben zu können.
Im Wanderfischprogramm geht es allerdings nicht allein um den Lachs, als König unter den Fischarten. In der Murg sind aktuell wieder 30 Fischarten heimisch, darunter weitere sogenannte Wanderfischarten, wie das Fluss- und das Meerneunauge sowie die Meerforelle, berichtet Dr. Frank Hartmann. Auch die Neunaugen und die Meerforelle vollziehen seit Urzeiten ihren Lebenszyklus zwischen dem Atlantik und unseren badischen Gewässern aus dem Schwarzwald. Nach seiner Auffassung ist die Murg auf dem besten Weg, wieder eines der bedeutendsten Fischgewässer in Baden zu werden. Bei vielen Arten sind die Bestände jedoch nur zu sichern, wenn für den Fischartenschutz mehr Gewässerlebensraum zurückerobert werden kann. Daher werden Fischwanderhilfen überall in der Murg zwischen Rastatt und Forbach gebaut. Vormals trocken gelegtes Flussbett wird wieder zum nassen Lebensraum. Übrigens dienen diese Maßnahmen nicht allein den Fischen, teilt der Fischereisachverständige weiter mit. Von der Steinfliege bis zur jagenden Wasseramsel erobern sich die angestammten Lebewesen allmählich ihren Fluss zurück. „Die Murg muss sich flussaufwärts Weisenbach hinsichtlich Ihrer Naturschönheit und Einzigartigkeit nicht vor einem Vergleich mit Lachsflüssen in Kanada scheuen“, so Hartmann. Die Prognosen für die Entwicklung der Murg sind günstig und alle Beteiligten ziehen an einem Strang. Regelmäßig gibt es Meldungen von Lachsen oder Lachslaichplätzen in der Murg, obwohl das Potenzial der Murg für den Lachs noch nicht annäherungsweise ausgeschöpft ist. Und es gibt viele Unterstützer und Helfer in der Bevölkerung: Moritz Hecker aus Gaggenau hat im vergangenen Herbst einem großen Lachsweibchen das Leben gerettet, in dem er den mächtigen, nahezu einen Meter langen Fisch aus einer Restwasserpfütze unterhalb des Wehres bei Rotenfels befreite anschließend in das Oberwasser umsetzte. Aktuell bauen die Stadtwerke Gaggenau genau an dieser Stelle einen Fischpass.
Das Potenzial für die ökologische und fischereiliche Aufwertung der Murg ist sehr hoch, da im Abschnitt zwischen Weisenbach und Forbach nach wie vor eine unveränderte, natürliche Wildflusslandschaft vorliegt. Dieser besondere Murgabschnitt ist derzeit nur Insidern bekannt, da die Zugänglichkeit im steilen Tal erschwert ist.
„In diesem bislang noch überwiegend trockenen Abschnitt fehlt nur noch ausreichend Wasser, dann sind die Verhältnisse in der Murg dort wie vor 100 Jahren“, bekräftigt Hartmann. „Ideale Voraussetzungen zur Wiedereinbürgerung verloren gegangener Tierarten. Im Zeitalter des Artensterbens ein Gewinn für die Biodiversität“.
Für die Fischerei und andere wassergebundene Freizeitnutzungen hat die Murg schon heute an Qualität gewonnen. Damit profitieren nicht nur Lachs und Co, sondern vor allem auch die Menschen im Murgtal von einer lebendigen Murg.
LIFE-Projekt Lebendige Rheinauen Karlsruhe
Karlsruhe: Umwelt- und Arbeitsschutz
Umgestaltung der Albmündung
Verengung der Albmündung in den Rhein
Nördlich des Ölhafens mündet ein Teil der Alb in den Rhein. Bei Niedrigwasser ist hier die Strömung allerdings so gering, dass die Alb von wandernden Fischen kaum wahrgenommen wird. Durch Verengung der Mündung wurde die Fließgeschwindigkeit erhöht, eine sogenannte Lockströmung zeigt Wanderfischen wie Lachs, Meerforelle, Meerneunauge und Rapfen den Weg zu ihren Laichgebieten in der Alb. Die Maßnahme wurde 2006 beendet.
Der Lachs gehört zu den bekannten Wanderfischen, dessen rückläufige Bestände in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts Anlass zur Sorge und für konkrete Maßnahmen am Rhein und seinen Nebenflüssen waren. Auf Karlsruher Gemarkung geht ein besonderes Engagement vom Anglerverein Karlsruhe e.V. im Hinblick auf eine Verbesserung der Bestandssituation des Lachses aus: Mit Unterstützung des Regierungspräsidiums Karlsruhe brütet der Verein Lachse aus, die in ausgewählten und betreuten Rheinnebengewässern ausgesetzt werden.
Lachs, Foto: Dr. Rainer Berg
Meerneunauge, Foto: Dietmar Bernauer
Weniger bekannt ist z. B. das Meerneunauge. Ebenso wie der Lachs benötigt das Meerneunauge durchgängige Fließgewässersysteme. Allerdings gehört das Meerneunauge nicht zu den echten Fischen, sondern zu den Rundmäulern. Dessen Name geht auf neun reihenförmig angeordnete, runde Körperöffnungen auf jeder Körperseite zurück. Sieben davon sind Kiemenlöcher, hinzu kommt noch je ein Geruchsorgan und ein Auge. Die erwachsenen Tiere wandern zum Laichen (März bis Juni) in die Flüsse hinauf. Nach dem Laichen in kiesigen Laichmulden sterben die Tiere innerhalb einiger Tage bis Wochen. Die frisch geschlüpften augen- und zahnlosen Larven werden von der Strömung in sandige Bereiche verdriftet. Nach zwei bis fünf Jahren, wenn sie etwa 15 bis 20 Zentimeter lang sind, erfolgt die Umwandlung (Metamorphose) zum erwachsenen Tier, das ins Meer zurückwandert. Dort ernähren sich die Meeraugen parasitisch von Fischen, an die sie sich anheften und Gewebestückchen herausraspeln. Im Meer bleiben die Tiere ca. zwei bis vier Jahre.