Die Jahresbilanz der fischökologischen Verbesserungen in den Programmgewässern zur Wiederansiedlung von Wanderfischen in Baden-Württemberg kann sich sehen lassen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 14 Barrieren mit Fischpässen oder Rampen durchgängig gestaltet. An diesen Standorten ist nun wieder eine flussaufwärts gerichtete Fischwanderung möglich. Zusätzlich wurden an fünf Wasserkraftanlagen Fischschutz- und Abstiegsanlagen errichtet, die dort weitgehend schadfreie abwärtsgerichtete Fischwanderungen ermöglichen. Dennoch fehlen an zahlreichen Standorten solche Schutzvorrichtungen und Fischwanderhilfen, so dass der größte Teil der vorhandenen Lebensraumpotenziale für die in Baden-Württemberg immer noch seltenen Wanderfische bisher nicht genutzt werden kann. Es verwundert daher nicht, dass im letzten Jahr am Fischpass Iffezheim nur 52 und in Gambsheim 46 aufsteigende Lachse gezählt werden konnten (detaillierte Aufstiegszahlen). Erstmalig wurde im vergangenen Jahr allerdings oberhalb der Mündung des Elz-Dreisam-Systems ein zurückehrender Lachs nachgewiesen. Dieser ca. 1 m lange Fisch hatte nach den Fischpässen bei Iffezheim und Gambsheim auch die beiden nächsten Rheinstaustufen bei Straßburg und Gerstheim - offensichtlich über die Schiffsschleusen - durchwandert. Erfreulich ist auch die neue Rekordzahl aufgestiegener Meerneunaugen, mit 225 in Iffezheim beobachteten Tieren. An der Beobachtungsscheibe des Fischpasses konnten im Frühjahr Filmsequenzen wandernder Meerneunaugen aufgenommen werden, von denen eine hier abrufbar ist. Meerforellen traten mit 66 gezählten Tieren in Iffezheim (hier ist der Fischpass seit einigen Monaten aufgrund von Baumaßnahmen im Rahmen der laufenden Kraftwerkerweiterung nur eingeschränkt funktionstüchtig) und 91 Exemplaren in Gambsheim häufiger auf als Lachse. Auch am Fischpass der untersten Neckarstaustufe bei Ladenburg konnten im vergangenen Jahr Großsalmoniden nachgewiesen werden, obwohl im Neckar kein spezifisches Wiederansiedlungsprogramm besteht.
Im Dezember des vergangenen Jahres wurden die wasserwirtschaftlichen Bewirtschaftungspläne zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie veröffentlicht. Der überregionale Bewirtschaftungsplan für die Internationale Flussgebietseinheit Rhein basiert auf einem im Auftrag der letzten Rheinministerkonferenz erarbeiteten Masterplan Wanderfische Rhein, der die Ergebnisse einer fischökologischen Gesamtanalyse für das Rheingebiet berücksichtigt.
Der Landtag von Baden-Württemberg hat in seiner Plenarsitzung am 26. Dezember 2009 den Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen für die Bearbeitungsgebiete Alpenrhein/Bodensee, Hochrhein, Oberrhein, Neckar, Main und Donau einstimmig zugestimmt. Diese Dokumente können hier abgerufen werden.
Nach der Veröffentlichung der Bewirtschaftungspläne beginnt nun die Umsetzungsphase für ein großes Bündel an gewässerökologischen Maßnahmen. Darunter sind auch Maßnahmen zur Strukturverbesserung in den Lachsprogrammgewässern. Die strukturelle Aufwertung dieser Gewässer ist ein entscheidender Baustein der Wanderfischwiederansiedlung, da parallel zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit zusätzliche geeignete Lebensräume geschaffen werden müssen. Uferabflachungen, Deichrückverlegungen und Strukturierungen schaffen Platz und Lebensraumvielfalt im Gewässer und stellen auf diese Weise Laichplätze für Wanderfische sowie Habitate für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bereit. In vielen Gewässerabschnitten wird hierdurch nicht nur eine größere Naturnähe, sondern auch ein verbesserter Hochwasserschutz und eine attraktivere Landschaft erreicht.
Allerdings sind im Vorfeld zum Teil umfangreiche Vorgespräche, technische Vorbereitungen und rechtliche Verfahren notwendig. Darüber hinaus sind die Kosten gewässerbaulicher Projekte in der Regel hoch. Die Maßnahmenprogramme können deshalb nicht sofort und auf einen Schlag, sondern entsprechend den verfügbaren Ressourcen Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Entscheidend ist jedoch, dass ein qualifiziertes Programm besteht, welches nach seiner Umsetzung zum angestrebten Ziel der gesamtökologischen Verbesserung führt. Es ist demzufolge nur eine Frage der Zeit, bis die vorhandenen und neu errichteten Lebensräume von Wanderfischen wieder besiedelt werden können und gleichzeitig einen wertvollen Beitrag zum Artenschutz sowie dem Erhalt der Biodiversität leisten.